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Rubrik Fantasy, Historie, Krimi, Kinderbuch
"Sie fröstelte und riss die Augen wieder auf. Cinna hatte recht. Es war unheimlich, in einem Haus zu verweilen, in dem
sich Träume wie in einem Spinnennetz fingen und im Todeskampf herumzappelten. Und noch weniger durfte sie diesen
Traumworten lauschen. Auch ohne Nights Warnung hätte sie gespürt, dass diese Worte besondere Kräfte hatten, sie konnten
einen verführen, schläfrig und willenlos machen und ins Verderben stürzen.
Andererseits - da war immer noch dieser Junge, von dem sie sich fernhalten musste."
Auto & Autorin
Eines Tages ging ich so vor mich hin durch ein Altstadtviertel, als mir etwas auffiel: ein Auto am Straßenrand. Okay, das
war zu erwarten. Aber das Seltsame war: Es war das einzige Auto, unter dem Moos wuchs und ein bisschen Grün wucherte
(siehe Foto). Offenbar hatte jemand das Auto ziemlich lange nicht vom Fleck bewegt. Wochen vergingen und das Auto stand
immer noch. Flugsamen keimten in den Ritzen des Kopfsteinpflasters, kurz darauf schossen Gräser hoch, eine Ackerwinde
rankte sich in Richtung Reifen, Hummeln surrten um die Antenne. Es wurde Spätsommer und dann Herbst und das Auto stand
immer noch auf seiner grünenden Insel. Ahornsamen wehten auf die Heckscheibe und blieben stecken, wo sie keimten. Tja,
und dann lief der TÜV ab - und eine Woche später war das Auto weg, nur das kleine Biotop
zeugte noch vom Dauerstellplatz. Was das mit dem Buch zu tun hat? Darauf komme ich gleich. Aber erst einmal ein Blick
auf das ...
Mannahatta-Projekt
Es waren einmal New Yorker Ökologen, die eine grandiose Idee hatten, den Bewohnern ihre Stadt auf besondere Art nahe zu
bringen. Kernstück des Projekts "Mannahatta" ist eine interaktive Landkarte. Auf ihr ist die Insel Manhattan so
rekonstruiert, wie sie vor der Besiedelung durch die Europäer aussah. Wer möchte, kann dort zu seiner Wohnstraße surfen
und sich anschauen, wie das Gelände früher aussah, welche Tierarten dort lebten und welche Pflanzen dort wuchsen. Auf der
Webseite (www.themannahattaproject.org) liest man: "The aim of the Mannahatta Project is to reconstruct the ecology of
Manhattan when Henry Hudson first sailed by in 1609 and compare it to what we know of the island today."
Gut, das wäre also eine Zeitreise in die Vergangenheit, aber was ist mit der Zukunft?
Hier kommt das Bild von unserem verlassenen Auto oben ins Spiel. Das war nämlich der Gedanke, der mich beim Vorbeilaufen
jedes Mal beschäftigte: Was wäre eigentlich, wenn die Menschen einfach so - zack! - von der Welt verschwinden würden? Wie
lange würde es dauern, bis dieses Auto völlig überwuchert wäre und in seine Einzelteile zerfallen würde? Welche Tierarten
würden sich bis dahin darin ihre Höhlen und Nester bauen? Wie lange würde es überhaupt dauern, bis die Natur die Städte
zurückerobert hätte? Was würde aus den Gebäuden, Autos, Stromwerken, Straßen?
Umso begeisterter war ich, als ich entdeckte, dass sich ein Sachbuchautor über diese Fragen längst Gedanken gemacht hat
und faszinierende Antworten gibt:
Alan Weisman: "Die Welt ohne uns"
Ein Sachbuch, das ich wirklich jedem ans Herz legen kann. Zeitweise liest es sich wie ein düsterer Science-Fiction-Krimi. In
seinem Buch gibt Weisman spannende und oft auch verstörende Einblicke in die Welt ohne Menschen: Welche Pflanzen- und
Tierarten würden aussterben? (Hunde und ... Kakerlaken, jaha!) Welche Tierarten würden sich mühelos anpassen (Katzen, war
ja klar) oder wieder einwandern? (In New York: Kojoten, Wölfe, Bären und Elche aus Kanada.) Und was geschieht mit den
Gebäuden?
"In den ersten Jahren ohne Heizung platzen überall in der Stadt die Rohre, der Frost-Tauwetter-Zyklus dringt in die Gebäude
ein. Die Situation verschlechtert sich nun rapide. Gebäude ächzen, während sich ihre Kerne ausdehnen und zusammenziehen;
die Verbindungen zwischen Wänden und Dächern lösen sich. Wo das der Fall ist, sickert Regen ein, rosten Bolzen und fällt
der Verputz von der Wand, sodass die Isolierungen freiliegen. Falls die Stadt bisher noch nicht brannte, wird sie jetzt
Feuer fangen." (Zitat von Seite 37)
Ein besonderes Augenmerk richtet Weisman in seinem Buch auf die Stadt New York. Wer weiß schon, dass der Chinesische
Götterbaum schon heute eine Plage ist, weil er überall aggressiv wurzelt, die einheimische Flora verdrängt und über kurz
oder lang das ganze Abwassernetz lahm legen würde, wenn man ihn nur wachsen lassen würde? Wären keine Menschen da, die
die Samen regelmäßig aus den Lüftungsschächten und Rinnsteinen fegen würden, wäre diese aus Asien importierte Zierpflanze
schnell DER typische New-York-Baum. Und es würde im Folgenden nur etwa fünfzehn Jahre dauern, bis die großen Avenues in
Manhattan wieder zu dem würden, was sie einst waren: Flüsse und Bäche. Was für ein Szenario für einen Roman! Tja, und
genau so kam ich auf New York.
Warum New York und Wendigo?
Ursprünglich hatte ich diese Geschichte nämlich für Hamburg angedacht. Aber da ich nun für New York so wunderschöne
Rechercheunterlagen hatte, habe ich die Geschichte kurzerhand über den Teich verlagert. So wurde aus Jay ein
Austauschschüler mit amerikanischen Wurzeln, Onkel Matt und Aidan kam dazu - und viel indianische Mythologie.
Ja, das ist keine ganz neue Kombination. Auch andere Autoren wie zum Beispiel Gregory Hughes ("Den Mond aus den Angeln
heben") haben die Verbindung zwischen New York und Wendigo gezogen. Und es liegt ja auch nahe - denn wer nach
mythologischen Gestalten aus der Geschichte Nordamerikas stöbert, stößt früher oder später auf diesen Menschenfresser-Dämon
mit dem Herzen aus Eis.
Auch ich konnte nicht widerstehen, diese wunderbar-grässliche Gestalt zum Leben zu erwecken - und mit ihr so manch anderes
Wesen aus den Erzählungen und Märchen der amerikanischen Ureinwohner. Und hier findet sich auch der Ursprung für den Titel
des Buches. Nein, ich habe kein neues Wort für "Zwielicht" gesucht, es geht hier tatsächlich um zwei Arten von
Licht. Abgeleitet ist die Bezeichnung von Zweiherz - der mythologische Name für Zauberer, manchmal auch für
den "Trickster" - den Kojoten.
Film ab!
Für mich war das Buch ein wirklich schönes Experiment, denn ich habe es diesmal gewagt, viel Neues auszuprobieren. Als
Filmfan habe ich zum Beispiel mit Stilelementen des Films gespielt. Es gibt filmtypische Szenenwechsel und Dialoge, ein
paar Drehbuchelemente und das Spiel mit verschiedenen Farben, das manche Regisseure als symbolisches Element zur
Charakterisierung von Figuren einsetzen. Und da ich ein Riesenfan von "Plot-Twists" bin, wie sie zum Beispiel M. Night
Shyamalan (z.B. in Sixth Sense) oder Filme wie "The Others" zelebrieren, habe ich auch in dieser Hinsicht etwas Neues
gewagt.
Wer möchte, kann beim Lesen außerdem darauf achten, welche Sätze und Szenen im Buch auf bekannte Filme, auch viele
Klassiker, anspielen. Ein Auszug aus der Verweisliste: Nachts im Museum, Stirb langsam 3.0, Mondsüchtig, Flucht ins
23. Jahrhundert, King Kong, Dark Water, Avatar - und natürlich alle Filme, in denen der Held - nachdem er mit dem
Hubschrauber abgeschossen wurde, sein Auto explodiert oder das Haus über ihm eingestürzt ist und/oder hundert mutierte
Riesenspinnen auf ihm herumgetrampelt haben - von seiner Liebsten gefragt wird: "Bist du okay?" :-)
Weitere Ausgaben:
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416 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, 18.99 Euro (D)
ISBN: 357016117X, Verlag: cbt
Erschienen 2011
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